5. Interpretation
Die vorliegende empirische Untersuchung erhebt aufgrund der (geringen) Grösse der Population (Stichprobe) keinen Anspruch auf Repräsentativität. Ebenso muss in Betracht gezogen werden, dass es sich bei den Informanten um Studierende im Alter von 19 bis 30 Jahren handelt. Dennoch lassen sich Trends erkennen und Schlüsse ziehen.
Die Frage, ob die Sprachensituation in Graubünden kompliziert sei, beantworten gesamthaft 80 % mit ja und 20 % mit nein. Ein Schweizweites Sprachenkonzept halten 60 % für möglich, gut 30 % für nicht möglich; 10 % haben dazu keine Meinung. Eine ähnliche Verteilung ist bei der Frage nach der Berechtigung eines solchen Konzepts zu finden (knapp 70 % ja, nicht ganz 20 % nein, ca. 10 % ohne Meinung). Bezüglich des Bekanntheitsgrades dieses Sprachenkonzepts sind ca. 60 % mässig informiert, ca. 22 % gar nicht informiert, lediglich 18 % haben Kenntnis davon. Dazu ist anzumerken, dass die Informanten Studierende des ersten Semesters an der PH Graubünden sind. Dies erklärt zum Teil den geringen Bekanntheitsgrad bzw. die dementsprechende Berechtigung des besagten Sprachenkonzeptes.
Mehr als 70 % der Befragten sind der Meinung jeder Kanton sollte gleichzeitig mit Englisch als erster L2 beginnen; die Anzahl der Ablehnungen bzw. jener ohne Meinung ist in etwa gleich gross (16 % bzw. 14 %).
Eine analoge Verteilung findet sich auch bei der Frage, ob Englisch die Position der ersten L2 innehabe (70 % ja, ca. 23% nein). Bei der Frage nach der Berechtigung dieser Positionierung sinkt die Zustimmung auf knapp unter 50 %, ebenso die Ablehnung dazu (20 %); dagegen steigt der Anteil der Unentschlossenen (ca. 30 %). Das starke Votum für Englisch als erste L2 bedingt nicht zwingend die daraus folgende Positionierung bzw. Berechtigung dieser Fremdsprachenwahl.
Die grösste Unsicherheit (oder Unkenntnis) offenbart sich bei der Frage, ob der Stellenwert von Englisch in der Schweiz anders gesehen wird als in anderen europäischen Ländern. Knapp 60% haben dazu keine Meinung (Kenntnis) gegenüber 30 % Zustimmung und 10 %-iger Verneinung dieser Frage.
Ob Englisch als Fremdsprache leicht zu lernen ist (und deshalb auch später begonnen werden könne), oder nicht, wird in etwa gleich beantwortet, mit leichtem Überhang zu «nein»; Gut 20 % haben dazu keine Meinung. Dies scheint doch in gewissem Widerspruch zur allgemeinen Einschätzung bezüglich der Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Italienisch) zu stehen. Häufig wird die Meinung vertreten, man solle mit Französisch bzw. Italienisch beginnen, Englisch könne ja zu einem späteren Zeitpunkt mühelos gelernt werden.
In Frage 10 wurde versucht zu eruieren, ob hinter Englisch imperialistische Motive stünden. Dies können ca. 45 % nicht beantworten. Zustimmung bzw. Ablehnung halten sich diesbezüglich die Waage (knapp. 30 %).
Die eindeutigste Antwort ergab die Umfrage bei Frage 11. Nur 4 % (konkret 1 Informant) sieht durch die Einführung von Englisch (Early English) das Schweizer Selbstverständnis bzw. den Sprachfrieden in Graubünden als gefährdet. Mehr als 60 % sehen o.a. Befürchtungen als nicht gegeben, ca. 30 % haben dazu keine Meinung.
Mehrfache Zusatzbemerkungen offenbaren die Problematik sehr deutlich; besonders bei Frage 3 bezüglich der besonderen Situation im Kanton Graubünden. Der Umstand, dass es im Kanton eine einzigartige (trilinguale) Voraussetzung gibt, wird sehr wohl anerkannt und als kulturelle Errungenschaft auch geschätzt. Ebenso wird Italienisch als Kantonssprache anerkannt, weniger Erwähnung hingegen findet Romanisch, das ebenfalls Kantonssprache ist. Der Erhalt der Kultursprachen und die Sprachenvielfalt werden zwar als besonders erstrebenswert gesehen, nicht aber auf Kosten eines späteren Beginns mit Englisch.
Das Bündner Dilemma manifestiert sich besonders augenscheinlich bei Frage 5 (Beginn der Fremdsprache Englisch). Hier fordern sämtliche (sic!) Kommentare den Beginn von Englisch im selben Lernjahr für alle Kantone der Schweiz, vor allem aus Gründen vergleichbarer (beruflicher) Voraussetzungen und der Fairness. Damit allerdings stellt sich unweigerlich die curriculare Bedingung für Graubünden: Bei einem nationalen (schweizweiten) Beginn mit Englisch als L 2 werden Italienisch (bzw. Französisch und Romanisch) zwingend zur L3.
Anmerkungen
[1] Crystal (2012).
[2] vgl. EDK Broschüre Ich lerne Sprachen, www.edk.ch
[3] Ribeaud, in Künzli (2001).
[4] Schneider (2019).
[5] Vgl. Südtiroler Grundschule, inklusive Mittelschule: http://www.provinz.bz.it/bildung-sprache/deutschsprachige-schule/default.asp
[6] Vgl. rm.coe.int/language-education-policy-profile-luxembourg/16807b3c27.pdf
Literatur
Crystal, D. (2012). English as a Global Language. Cambridge, New York: Cambridge University Press.
McCrum, R. (2011). Globish – How English Became the World’s Language. New York, London: Norton.
Watts, R. J. & H. Murray (Hrsg.). (2001). Die Fünfte Landessprache Englisch in der Schweiz. Zürich: vdf. Verlag ETH.
Watts, R. & P. Trudgill (Hrsg.). (2001). Alternative Histories of English. London: Routledge.
Websites und pdf-Dokumente
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Künzli, Andreas (Schweiz). Ist Englisch gut oder schlecht für die Schweiz? www.plansprachen.ch/files/ENGLISCHINDERSCHWEIZ.pdf. Zugriff am 30.11.2019.
Schneider, Harald (2019). Englisch-Zertifikate an Pädagogischen Hochschulen der Schweiz -- eine empirische Erhebung. Chur. pdf.
Marques, N. (Babbel Magazin 25/07/2017) de.babbel.com/de/magazine. Zugriff am 3.12.2019.
https://rm.coe.int/language-education-policy-profile-luxembourg/16807b3c27.pdf, Zugriff am 3.12.2019.
https://www.nzz.ch/schweiz/mythos-mehrsprachige-schweiz-ld.1317470. Zugriff am 3.12.2019.
https://edudoc.educa.ch/static/web/arbeiten/sprach_unterr/fktbl_sprachen_d.pdf. Zugriff am 3.12.2019.
www.edk.ch > Arbeiten > Sprachenunterricht. Zugriff am 3.12.2019.
www.akademien-schweiz.ch. Zugriff am 3.12.2019.
https://www.sprachenunterricht.ch/themen?f[0]=field_themenbereich:25. Zugriff am 3.12.2019.
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