Torten, Verwandtschaft und Kredite – eine Migrationsgeschichte am Beispiel der Familie Klainguti
Die Gran Bar e Pasticceria Klainguti mitten in der historischen Altstadt von Genua erfreut auch heute noch die Besucher:innen mit süssen Köstlichkeiten, während das Hotel Bernina in Samedan und das Hotel Reine Victoria in St. Moritz den Reisenden eine noble Unterkunft bieten. Was aber hat die Bar in der Hafenstadt am Mittelmeer mit den beiden Luxusresorts im alpinen Oberengadin gemeinsam?
Die Familie Klainguti, Gründerin der Bar in Genua, wie auch Erbauerin der beiden Hotels im Engadin, soll in diesem Forschungsprojekt als Beispiel angeführt werden, um Migrationsgeschichte in einer Mikroperspektive zu untersuchen, indem es das Spannungsfeld der wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen aufzeigt und analysiert.
Die Familie Klainguti aus dem Schamsertal lässt sich um 1800 in Samedan nieder und einige der Mitglieder wandern wenig später als Zuckerbäcker nach Italien aus. Es ist in erster Linie Aufgabe der Frauen, den Kontakt mit der Heimat mittels regelmässigen Briefverkehres aufrechtzuhalten. Die beinahe 200 noch erhaltenen Briefe geben nicht nur etwas über den Alltag im Migrationsland und über die Geschäfte und Abläufe in der Pasticceria preis. Sie zeigen auch, wie es gelang, Vermögen und Ressourcen aus der Ferne zu verwalten, welche Seilschaften und berufliche Netzwerke dafür geknüpft wurden und wie man Vertrauen auf Distanz schuf.
Zusätzlich wird in diesem Forschungsprojekt anhand der Familiengeschichte der Klaingutis auch der Frage nachgegangen, wie der in der Ferne realisierte Gewinn systematisch in der Heimat im Engadin investiert wurde. Mit dem Bau der Luxushotels haben die Klaingutis die Anfänge des Tourismus massgeblich geprägt.