Projekt «La luna nel baule»

  • Statt der Korrektur von ein paar Seiten Erinnerungen, entsteht aus dem direkten Gespräch des Autors mit Jolanda Giovanoli der Stoff für einen Roman. 

  • Die Jolanda Giovanoli, welche Caspani persönlich kennengelernt hat, war eine ihr vorher unbekannte Person. 

  • Daniele Dell’Agnola hatte bereits früher als Lehrer Erfahrungen gesammelt mit der Umsetzung von mündlicher Erzählung in Literatur. 

  • Wegen seiner Ansiedlung auf der Sprachgrenze zwischen dem Bergell und dem Engadin, eignet sich der Roman sehr gut für eine dreisprachige Ausgabe. 

  • Die didaktischen Materialien zum Roman, welche Franca Caspani mitverfasst hat, dienen dem Verständnis und der thematischen Vertiefung. 

  • Der Begriff «Truhe» (baule/arcun) im Buchtitel kann als Symbol für das Gedächtnis gedeutet werden.

Im dreisprachig geführten Interview zu einem ungewöhnlichen Buchprojekt berichtet Franca Caspani, wie aus einer Bitte um Korrektur einer Handvoll Seiten Erinnerungen («due paginette di ricordi») der Roman La luna nel baule entstanden ist. Es ist die Geschichte der 80jährigen Jolanda Giovanoli, die der Autor Daniele Dell’Agnola erzählt bekommen und literarisch verarbeitet hat. Neben Einzelheiten über die Entstehung und die zwei Hauptdarsteller, J. Giovanoli und D. Dell’Agnola, kommt auch das Thema der dreisprachigen Ausgabe und die Bereitstellung von didaktischen Materialien zum Roman zur Sprache.

erstmals publiziert am 01.02.2022 auf pluriling-gr.ch.

Esther Krättli

Projekt «La luna nel baule» - «zwei Seiten» zu einem Buchprojekt mit viel didaktischem Material

«La luna nel baule»/«Der Mond in der Truhe»: Intervista a Franca Caspani

Was war Ihr erster Gedanke, als Sie von diesem besonderen Buchprojekt gehört haben?

Ich fand das Vorgehen, die Erzählungen einer Mutter und Grossmutter, die für ihre Familie “due paginette” hinterlassen möchte, schriftlich festzuhalten, sehr spannend und wertvoll. Aus den zwei Seiten ist ein Roman entstanden. Die Erzählung von Jolanda mündet in eine persönliche Biografie, die stellvertretend für das Leben vieler Frauen steht.

Wovon handelt “La luna nel baule”?

Jolanda chiede all’autore di correggere le due paginette. Daniele Dell’Agnola propone invece a Jolanda di raccontargli le sue memorie. Daniele ascolta di giorno i racconti di Jolanda e la sera si mette al tavolino e scrive il romanzo. Il libro si apre con il discorso di commiato dai clienti del Val d’Arca, l’albergo che Jolanda ha gestito con il marito per tanti anni. Le vicende di Jolanda, dall’infanzia al soggiorno nella Svizzera tedesca, dal matrimonio al viaggio in Canada, si intrecciano con le vicende tragiche della sorella Vera. Il racconto è condito con aneddoti del Val d’Arca e i commenti dei due avventori, Virgilio e Peter.

Kennen Sie die Protagonistin und Ich-Erzählerin persönlich?

Ich habe Jolanda in Poschiavo, anlässlich der Buchpräsentation kennengelernt. Es war ein Wiedersehen mit der Romanfigur, da ich viel von ihrem Leben im Buch erfahren hatte. Und doch war es in Wirklichkeit eine Begegnung mit einer mir unbekannten Person. Der Autor hat Jolandas Erzählungen zu einem literarischen Werk zusammengefügt. Er hat zwischen die wahren Ereignisse immer wieder fiktive Elemente gestreut.

Mit seinen Worten: Jolanda hat ihm die Farben geschenkt. Damit hat er ein Bild gemalt.  

Können Sie uns den Autor Daniele Dell’Agnola kurz vorstellen?

Daniele è docente di italiano nelle scuole medie e alla SUPSI. Scrittore e musicista, ha scritto diversi racconti e romanzi per ragazzi e pubblicato proposte didattiche e pièce di teatro. Ha sperimentato con allievi di scuola media proposte per fissare il racconto orale in un testo narrativo, tecnica che ha poi affinato durante la stesura del romanzo La luna nel baule. Ha radici calanchine ed è legato alla Bregaglia per motivi familiari. 

Wieso ist aus Ihrer Sicht gerade dieser Roman geeignet für eine dreisprachige Ausgabe?

Der Roman spielt im Bergell, hauptsächlich zwischen Maloja, wo Jolanda schon als Kind die Sommermonate verbrachte und Tür an Tür mit der Familie Giacometti wohnte, und im Hotel Val d’Arca in Stampa. Der Malojapass verbindet das Bergell mit dem Engadin und ist in sprachlicher Hinsicht der Scheidepunkt zwischen Italienisch, Romanisch und Deutsch. Die literarische Kommission der Pro Grigioni Italiano fand darin eine der Begründungen für eine dreisprachige Ausgabe.

Sie waren beteiligt an der Erarbeitung von didaktischen Materialien zum Roman. Wie sehen diese Materialien konkret aus?

L’apparato didattico che accompagna il romanzo è formato da otto percorsi adatti per la verifica della comprensione e per approfondimenti tematici. Il primo percorso presenta esercizi di comprensione testuale per ogni capitolo del romanzo. Gli altri percorsi riprendono tematiche presenti nel romanzo, come ad esempio i luoghi del romanzo, gli avvenimenti storici, le lingue del romanzo o la condizione femminile. Due percorsi sono dedicati ad altrettanti artisti della Bregaglia: Alberto Giacometti e Varlin. Un percorso riprende la genesi del romanzo e presenta proposte per un’officina di scrittura. Le proposte didattiche sono adatte alle ultime classi della scuola elementare e a classi di scuola media.

Quest ‘arcun’, il baule, para dad esser in simbol fitg ferm dal cudesch. Per tge stat el?

Im Roman bewahrt Jolanda in ihrer Truhe Gegenstände als Erinnerung an die Vergangenheit auf. Der Autor verwendet die Truhe zudem als Archiv für Zeitungsausschnitte, welche ihm erlauben, von den persönlichen Ereignissen in der Erzählung der Protagonistin zu den politischen Ereignissen aus vergangenen Jahren zu wechseln.

Jede Leserin und jeder Leser darf natürlich der Truhe eine eigene persönliche Bedeutung zuschreiben. Für mich steht die Truhe als Metapher für das Gedächtnis. Eine Truhe ist eine Art Schatzkiste, worin Wertvolles aufbewahrt werden kann. Als Symbol für kostbare Erinnerungen und Lebensweisheiten liefert sie reichhaltiges Material für den Roman.

Pudessan las regordanzas da Jolanda Giovanoli era esser ambientadas en in’autra vallada grischuna?

Als meine Mutter den Roman gelesen hat, sagte sie mir, die Schilderungen seien für sie sehr plausibel und nachvollziehbar. Ein solches Frauenleben hätte sich auch im Puschlav abspielen können. 

Zum Schluss: Haben Sie eine Lieblingsstelle im Roman?

Mir gefällt die Szene, als Alberto Giacometti Jolanda fragt, ob er sie portraitieren könne. Jolanda schaut zu ihrem Ehemann, der klar verneint. Da sinniert Jolanda «Manchmal denke ich, dass die gemalte oder gemeisselte „Junge Jolanda“ heute Millionen wert sein könnte.

Ulteriori informazioni sul progetto si trovano sul sito della Pro Grigioni Italiano.

Die didaktischen Materialien können unter diesem Link heruntergeladen werden.