Die drei Hauptbeiträge dieser Ausgabe kreisen alle um die Geschichte des Tourismus in Graubünden.
Der Architekturhistoriker Roland Flückiger-Seiler – einer der führenden Spezialisten für den historischen Hotelbau in der Schweiz – beleuchtet die Rolle der einheimischen und der auswärtigen Architekten im Engadiner Hotelbau. Erst ab 1860 entwickelte sich das Oberengadin zur Tourismusregion; aber dann verlief die Entwicklung rasant. Gasthäuser entstanden und verwandelten sich in Grand Hotels, und diese wurden immer grösser. Von 1880 bis zum Ersten Weltkrieg erlebte das Engadin einen touristischen Boom, dessen Spitzenfrequenzen erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder erreicht werden sollten. Die im Hotelbau engagierten Architekten werden mit ihrem Werdegang und ihren wichtigsten Werken vorgestellt. Der Beitrag ist ein kleines Kompendium; er hat durchaus Nachschlagewerkcharakter.
In einem reich bebilderten Text ergründet der Musikwissenschaftler und ikg-Projektbearbeiter Mathias Gredig das Phänomen der Eiskonzerte im Oberengadin. Zu Beginn des alpinen Wintertourismus vergnügten sich die Leute noch kaum auf Skiern, sondern zogen in Schlittschuhen auf den Seen und Eisfeldern ihre Kreise. Orchester, die in Kälte und Schnee ausharrten, begleiteten ihre Kufentänze musikalisch. Mathias Gredig ist den Eiskonzerten mit einer umfassenden Recherche in den Archiven auf den Grund gegangen. Herausgekommen ist nicht nur eine höchst interessante Arbeit über einen vergessenen Teil der Tourismusgeschichte im Oberengadin – vielmehr hat Mathias Gredig auch eine Wiederbelebung dieser Tradition initiiert. Wie vor hundert Jahren ertönen heute wieder Orchesterklänge über den Oberengadiner Seen.
Peter Egloff, der bekannte Volkskundler und Kulturjournalist bei Radio und Fernsehen, berichtet aus dem Berufsleben seines Grossvaters, des Lohnkutschers Emanuel Schmid (1854–1924) von Surrein. Das Engagement eines Lohnkutschers mit eigenem Gefährt und Gespann bildete (im Unterschied zur Benutzung der Postkutsche oder später der RhB) eine «kontemplativ-geniesserische, exklusive Art von Langsamverkehr». Emanuel Schmid hatte eine gut betuchte, internationale Kundschaft. Sein berühmtester Passagier war auch der treueste: der deutsche Physikprofessor und Nobelpreisträger Wilhelm Conrad Röntgen. Dieser pflegte mit seiner Frau jeweils mehrtägige Kutschenfahrten nach Pontresina oder von dort ins Tirol zu buchen.