Margherita Garbald (1880–1955) war die weniger bekannte Schwester des bekannten Andrea Garbald, des ersten Berufsfotografen und fotografischen Chronisten des Bergells. Die zwei Geschwister, beide alleinstehend und kinderlos, bewohnten bis an ihr jeweiliges Lebensende die vom berühmten Architekten Gottfried Semper erbaute Villa Garbald in Castasegna. Emanzipierte Tochter einer emanzipierten Mutter – der Schriftstellerin Silvia Andrea (Johanna Garbald-Gredig) –, war Margherita die erste Bündner Fotografin mit Fachausbildung. Sie war auch im Metier tätig, arbeitete bis 1925 im Fotogeschäft ihres Bruders. Danach widmete sie sich dem Kunsthandwerk, führte aber ausserdem eine Haushaltsschule mit Italienischunterricht. War sie als Fotografin wirklich bloss die Assistentin ihres Bruders? Oder stammen so manche der ausdrucksstarken fotografischen (Frauen-)Porträts, die dem Andrea Garbald zugeschrieben werden, in Wahrheit von Margherita? Diese Fragen wirft der Beitrag von Silvia Hofmann auf, der einfühlsam Margherita Garbalds Lebensgeschichte nachzeichnet.
Landschaftsprägend wirkt im Bergell die Burganlage Castelmur auf dem Felsriegel ob Promontogno. Schon in spätrömischer Zeit ist «Murus» als Strassenstation bezeugt. Im 10. Jahrhundert erhielt der Bischof von Chur die Wehranlage mit dem Zollrecht vom Kaiser übereignet. Zur Schenkung gehörte auch die im Burgareal stehende Pfarrkirche Nossa Donna. Später war Castelmur zwischen der Stadt Chiavenna und den Bergellern umstritten. Die Burg galt dann als Grenzpunkt des Bistums Chur. Im 19. Jahrhundert erwarb die Familie de Castelmur die Anlage – Nachfahren jener Lehensmannen, welche die Burg schon im Mittelalter besessen hatten. Die modernen Castelmur errichteten auf dem Felsriegel einen für Graubünden einzigartigen Landschaftspark mit einer Villa als Familienwohnsitz und einem Neubau der Kirche als Familienmausoleum. Den markantesten Teil Anlage bildet jedoch der mächtige fünfgeschossige Bergfried. Dessen 800-jährige Baugeschichte rekonstruieren Monika Oberhänsli und Manuel Janosa (Archäologischer Dienst Graubünden) in ihrem Beitrag.
Einige Parallelen zur Burg Castelmur zeigt die Burg Tschanüff bei Ramosch. Auch sie hatte ein nachmittelalterliches Nachleben. Ihre «neuzeitliche Bau- und Verfallsgeschichte» wird von Jon Mathieu dargestellt. Tschanüff bildete ein Lehen des Bischofs von Chur an aristokratische Engadiner Familien, die a Porta von Scuol und die Planta-Zuoz. In einem politischen Tumult gebrandschatzt, wurde die Burg 1565 wieder erstellt und galt fortan als stolzes «Schloss». Da residierten nun die «Kastellane», bis 1728 ein Teil der Anlage ins Tobel stürzte. Hundert Jahre später begann eine romantische Verklärung der auch als Ruine noch imposanten Burg. Sie wurde sehr oft gezeichnet und fotografiert sowie dichterisch besungen. Im späten 19. Jahrhundert von den Nachfahren der Kastellane an lokale Familien verkauft, ging Tschanüff 2001 an eine Stiftung über. Es folgten Restaurierungsarbeiten und eine bauhistorische Untersuchung mit spannenden Ergebnissen.
Auch diese Ausgabe des Bündner Monatsblatts wird durch einen Rezensionenteil abgerundet. Besprochen werden zwei neue Publikationen aus dem kulturgeschichtlichen Bereich.