Bündner Monatsblatt 2/2025

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Bündner Monatsblatt 2/2025


Gleich zwei Beiträge befassen sich mit der Architekturgeschichte Südbündens. Zunächst untersucht Silva Semadeni die Entstehungsgeschichte des Hotels Bernina in Samedan. Welcher Architekt hat das erste grosse Touristenhotel im Engadin entworfen? Viele Fachleute vermuten den Zürcher Johann Jakob Breitinger hinter dem Bau. Aber auch Giovanni Sottovia scheint beteiligt gewesen zu sein. Möglich wäre, dass Sottovia im Auftrag Breitingers gearbeitet hat. Auf jeden Fall bestärken neu entdeckte Dokumente eine Beteiligung Sottovias. In einem zweiten Beitrag stellt Diego Giovanoli das Restaurant Grevasalvas in Plaun da Lej, am Ufer des Silsersees, vor. Das heute als Murtaröl bekannte Gasthaus entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Drei Fotografien erinnern an seine Anfänge.

 

Alexander Mühlbauer diskutiert den Einfluss der Tessiner «Tendenza» auf die Bündner Architektur. In den Sechzigerjahren begannen verschiedene Tessiner Architekten, der Zersiedelung der Landschaft ihre klar konzipierten Betonbauten entgegenzustellen. Eine Ausstellung fasste diese Bestrebungen 1975 unter dem Stichwort «Tendenza» zusammen. Die Strömung griff bald auf Graubünden über. Hier realisierten die Architekten Campi/Pessina, Chiaverio/Censi, Consoni, Fontana, Gianoli, Kasper, Obrist, Snozzi und Zumthor diverse öffentliche und private Wohn- und Nutzbauten, ja hie und da eine ganze Wohnüberbauung, eine Einfamilienhaus-Siedlung, ein Dorfquartier. Mühlbauer stellt diese Werke einzeln vor, und zeigt auf, wie sich in jedem von ihnen der Einfluss der «Tendenza» manifestiert. Unser Autor, seines Zeichens ebenfalls Architekt, steuert Pläne bei, die er von jedem Objekt neu gezeichnet hat.

 

Fabian Brändle setzt sich mit dem bewegten Leben eines Bündner Auswanderers auseinander. Der Taminser Johann Jacob Jörimann (1861–1947) war Kavallerist in amerikanischen Diensten. Auf der Suche nach einem besseren Leben in Amerika verpflichtete er sich zum Militärdienst. Bei der Armee erlebte der Aussiedler so einiges. Immer wieder begegnete er zum Beispiel Indigenen. Die «Indianer» faszinieren den Einwanderer nachhaltig. Seine Einsätze führten Jörimann auch nach Kuba oder auf die Philippinen. Den Lebensabend verbrachte der Taminser Abenteurer im st. gallischen Wil. Seine Erlebnisse und Eindrücke hielt Jörimann in einem Reisebericht fest. Dieser erhalten gebliebene Blick von unten ist genauso spannend wie rar.

 

Ute W. Gottschall und Wendelin Kugler stellen die ersten Ergebnisse eines am Rätischen Museum durchgeführten Provenienzforschungsprojekts vor. «Betörend – verstörend. Sammelgut aus Übersee!», so lautete der Titel einer Ausstellung (2022/23), die das RM mit den Beständen seiner ethnologischen Sammlung bestritt. Bei solch «exotischen» Museumsobjekten erhebt sich die Frage nach der Herkunft oder eben Provenienz: Woher genau stammen diese Objekte, und wie genau haben sie den Weg ins Museum gefunden? Den Erwerb hatten jeweils reisende Privatleute getätigt, welche die Objekte dann dem heimischen Museum schenkten. Aber war dieser Erwerb auf rechtliche Weise geschehen und nicht etwa unter den Vorzeichen kolonialistischer Ausbeutung? Hier stellen sich interessante historische und teilweise brisante ethische Fragen.