Heute geben die meisten Eltern ihren Kindern Vornamen, die gerade in Mode sind. Das war früher gar nicht so. Man benannte seine Kinder vielmehr nach den Vorfahren, am häufigsten nach den Grosseltern, eine Sitte, die sich teilweise heute noch beobachten lässt, und zwar von Griechenland bis Irland. Was aber geschah, wenn Eltern mehr als zwei Mädchen und zwei Buben hatten? Die frühen Kirchenbücher von Davos (ab 1559) zeigen, wenn man sie ganz genau auswertet und aus ihnen alle Familienstammbäume möglichst vollständig herauskristallisiert, ein streng logisches, bis ins Detail festgelegtes und ganz konsequent gehandhabtes Namengebungssystem. Diese «Davoser Namenregel» wurde bis ins 18., ja teilweise bis ins frühe 19. Jahrhundert angewandt, aber offenbar nie irgendwo verbindlich aufgeschrieben – sie war so selbstverständlich! In diesem Buch wird sie mit zahlreichen Beispielen nachgewiesen.
In den Schweizer Städten im Unterland wurde die Namengebung dagegen schon ein paar Jahrhunderte früher weitgehend gelockert. Aber es gibt starke Anzeichen dafür, dass die «Davoser Namenregel» im Mittelalter so ziemlich überall in Europa gegolten hatte. Jedenfalls wurde sie von König Rudolf von Habsburg und seiner Frau Gertrud bei der Benennung ihrer Kinder strikte eingehalten, ebenso von anderen Adelsfamilien von Savoyen bis Mecklenburg. Hier ist zwar noch viel Forschung nötig, aber die wenigen Beispiele, die im Anhang dieser Untersuchung ausgewertet sind, werden Histo- rikerinnen und Genealogen ohne Zweifel in Scharen auf die Piste schicken!