A colloquio con Nicoletta Noi

L’intervista è divisa in tre parti: la politica e le lingue – le lingue minoritarie – aspetti personali. 

Nicoletta Noi ritiene che negli ultimi anni ci siano stati alcuni cambiamenti positivi rispetto alle lingue cantonali nel Gran Consiglio, sia per l’italiano che per il romancio. Per una migliore comprensione in seno al Consiglio e verso i media apprezzerebbe molto l’uso della traduzione simultanea. Ai suoi occhi è migliorata nettamente sia la consapevolezza linguistica dei membri del Gran Consiglio che la cooperazione tra le minoranze. Tuttavia, il Cantone fa ancora troppo poco per le lingue minoritarie (traduzioni, diciture, assunzioni, comunicazioni del Gran Consiglio sempre in tedesco). Contrariamente al passato, oggi la rappresentanza dell’italianità nel Consiglio è di regola omogenea. 

Descrive in parte come catastrofiche le sue esperienze personali di politica indipendente di lunga data. I media spesso l’avrebbero ignorata e per una indipendente è praticamente impossibile assumere dei mandati politici. Trova la forza di esercitare i mandati nella convinzione che ogni individuo ha dei doveri ai quali non può sottrarsi.

 

  • Nel Gran Consiglio, l’approccio alle lingue minoritarie è cambiato in modo positivo. Oggi le lingue minoritarie italiano e romancio sono maggiormente presenti.

  • La traduzione simultanea, che Noi richiede dagli anni ’90, rimane importante, sia per la comprensione e il dibattito nel Consiglio che per preparare i lavori.

  • Il Cantone si deve impegnare di più per le lingue minoritarie. Parole chiave: traduzioni, siti web, assunzioni, ecc.

  • Oggi la rappresentanza dell’italianità nel Consiglio è omogenea, diversamente dal passato.

  • Noi è a favore di un insegnamento immersivo capillare nelle scuole di lingua italiana. Paragonabile al romancio.

  • La vita politica come indipendente, donna e in più avanti con l’età è molto difficile. Quasi nessuno ti prende in considerazione.

pubblicato per la prima volta il 01.10.2021 su pluriling-gr.ch.

Esther Krättli im Gespräch mit Grossrätin und Gemeindepräsidentin Nicoletta Noi

Politik und Sprachen

Welche Sprachen spielen in Ihrem Arbeitsalltag eine Rolle?

Vor allem Italienisch, dann immer wieder Deutsch, sei es im Briefverkehr mit Chur oder mit anderen deutschsprachigen Personen. Im Grossen Rat dominiert natürlich Deutsch.  

Sie vertreten seit 1997 den Kreis Roveredo im Grossen Rat: Hat sich der Umgang mit den Kantonssprachen innerhalb des Rates in dieser Zeit verändert?

Auf jeden Fall, bis ungefähr 2010 wurde Italienisch nur von wenigen Parlamentariern gesprochen. Das waren Kollegen aus den italienischen Tälern, welche kein Deutsch sprachen. Von der Regierung kam kein einziges italienisches Wort. Romanisch hörte man im Rat nie. Heute ist das anders. Vor allem Romanisch wird deutlich öfter gesprochen. Und dies nicht aus einer Notwendigkeit (die Rätoromanen können ja alle Deutsch), sondern aus Prinzip, um als Ethnie wahrgenommen zu werden. Aus meiner Sicht ist das eine grosse Veränderung. Offenbar haben die Diskussionen über den Trilinguismo und die Bedeutung des Sprachen- und Identitätserhalts ihre Wirkung gehabt.

Der Grosse Rat ist selber verantwortlich für den Sprachgebrauch im Rat. Nimmt er aus Ihrer Sicht diese Verantwortung auch wirklich wahr?

Heute schon. Massgebend ist dabei die Sensibilität der Ratsleitung. Ein gutes Beispiel dafür ist zurzeit Aita Zanetti, dies im Gegensatz zu Alessandro della Vedova, welcher im Rat sehr wenig italienisch gesprochen hat. Dies möglicherweise aus Respekt für die Mehrheitssprache Deutsch, was ich auch in etwa verstehe. Aita macht das aber sehr gut: Romanisch ist nicht dominant, wird aber auch nicht vergessen. Natürlich, als Ratsleiter würde ich auch nicht eine Session ganz romanisch oder ganz italienisch halten. Demonstrativ oder provokativ, die Sprachverhältnisse müssen von Leiter respektiert werden.

Immer wieder wird die Simultanübersetzung im Grossen Rat gefordert. Könnte eine solche Massnahme die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften im Bündner Parlament fördern?

Das ist für mich aktuell ein wunder Punkt. In all den Jahren habe ich immer wieder die Simultanübersetzung gefordert. 1990 zusammen mit Andrea Bianchi aus dem Kreis Chur. Wir kamen nicht durch und selbst die Italienischsprachigen im Rat votierten dagegen. Vor zwei Jahren fragte der junge Abgeordnete Tobias Rettich bezüglich Simultanübersetzung an und gewann im Rat. An der Pressekonferenz zum Manifest GR wurde er aufs Podium geholt und Maurizio Michael kommentierte, dass er der einzige gewesen sei, der im Rat etwas für Sprachminderheiten bewirkt habe. Das war bitter für mich und für andere, die in der Vergangenheit viel unternommen hatten, um diesen Zustand zu ändern.

Gut wäre die Simultanübersetzung, um sich tatsächlich zu verstehen. Wenn wir Italienisch sprechen, verstehen das nur sehr wenige. Auch kann man die Voten nicht dermassen vereinfachen, nur damit sie alle verstehen. Geschweige denn die Journalisten: Diese nehmen sich sicher nicht die Mühe, alles mitzubekommen, und ignorieren die Voten dann halt. Die Simultanübersetzung wäre auch praktisch in der Phase, in der die Geschäfte vorbereitet werden. Und noch wichtiger: Man könnte in einer gepflegten, eleganten, würdigen Sprache sprechen. Verloren gehen würden allerdings die Klänge, die charakterisierenden regionalen Inhalte, die territorial bindenden, „familiären“ Elemente der Sprache. Malerisch contra technisch, Identität contra Verstand. 

Müsste nicht jedes Mitglied des dreisprachigen Bündner Parlamentes mindestens zwei Kantonssprachen wenigstens passiv beherrschen?

Das wäre natürlich schön, aber viele ziehen sicher das Englische dem Italienischen oder Romanischen vor. Noch wichtiger wäre das bei der Regierung. In den letzten Jahren geben sie sich zwar Mühe. Sie beantworten die eingereichten Fragen konsequent in der Sprache der Abgeordneten. Sie können nicht alle (Peyer, Rathgeb) spontan antworten in unserer Sprache. Das Vorlesen ist manchmal peinlich, aber die Anstrengung wird auf jeden Fall geschätzt. 

Minderheitensprachen

Wie steht es in der Bündner Politik mit der Zusammenarbeit/Solidarität zwischen den Minderheitensprachen? 

Immer besser, was die Sprache anbelangt. Es hat Zeiten gegeben, wo eine gewisse Gleichgültigkeit bezüglich Sprachen seitens der rätoromanischen Abgeordneten spürbar war. Heute ist das Sprachenbewusstsein viel besser. Bei bestimmten Themen allerdings spielt das Territorium eine grosse Rolle: Es wird nicht die gleiche Sensibilität gezeigt bei Bedürfnissen in anderen Regionen. Beispiel Covid-Prävention am Anfang der Pandemie: Das Misox wurde früher als der Rest Graubündens mit dem Problem konfrontiert. Wir hatten schon viele Tote und die Intensivstationen im Tessin (wir werden im Tessin hospitalisiert) waren voll. Ich rief unsere Regierung auf, aktiv zu werden. Dies haben die Regionen mit Sprachminderheiten nicht verstanden.

Macht der Kanton genug für die Minderheitensprachen?

Nein, der Kanton ist sehr langsam und wenig aufmerksam. Ein Kreuz sind die Übersetzungen und zwar auf der ganzen Linie. Ich denke an Beschriftungen (Museen, Kantonsspital) und allgemeine Homepages. Auch schafft es die Regierung nicht, halbstaatliche Institutionen aufzufordern, sich im Sinne der Dreisprachigkeit zu bewegen. Im Grossen Rat debattieren wir immer noch auf der Grundlage von deutsch verfassten Botschaften. Erst vor ca. 10 Jahren konnte ich mich auf einen Bundesgerichtsentscheid berufen und erreichen, dass die Gesetzestexte auf Romanisch und Italienisch vorliegen. Das Kantonsspital geht mit schlechtem Beispiel voran. Es fällt auf, dass dort kaum Lernende aus dem Misox ihre Ausbildung machen.

Wie einig sind sich die Vertreter:innen der Italianità, wenn es um die Förderung der sprachlichen Minderheiten geht? 

Früher gab es da skandalöse Dinge. Heute getraut sich niemand mehr, sich bei solchen Diskussionen oder bei Forderungen zurückzuziehen. Die Medien spielen auch eine grosse Rolle mit Streaming. Jeder kann nun sehen, was die von ihm gewählten Volksvertreter:innen sagen oder eben nicht sagen und wie sie abstimmen. Gerade fürs Streaming wäre die Simultanübersetzung besonders wichtig. So geht es einfach nicht vorwärts.

Wiegen die Vorteile der Minderheitensprache Italienisch die Nachteile der oft ungenügenden Sprachkompetenz im Deutschen auf?

Das ist abhängig von der Region. Die Nachteile im Misox sind, dass man schnell ins Tessin ausweichen kann. Die deutsche Sprache ist eine ziemliche Herausforderung. Die Akzeptanz von Personen aus den italienischen Tälern ist in Deutschbünden eher gering (Spitäler, Schulen). Eine Ausnahme bilden die Kantonsschule und die Pädagogische Hochschule, neuerdings auch die kantonale Verwaltung. 

Was halten Sie davon, im ganzen italienischsprachigen Teil Graubündens Immersionsunterricht einzuführen mit dem Ziel einer Zweisprachigkeit, ähnlich der der Romanischsprachigen?

Das wäre wünschenswert und eine gute Idee!

Persönliches 

Wie politisiert es sich als parteilose Frau allgemein und als Vertreterin einer sprachlichen Minderheit auf kantonaler Ebene?

Ich frage mich ständig: Soll ich Italienisch oder Deutsch reden? Damit ich verstanden werde, bevorzuge ich Deutsch. Gleichzeitig habe ich ein schlechtes Gewissen, da ich ja Abgeordnete für den Kreis Roveredo bin. Mit einer guten Vorbereitung (wie z.B. für meine „historische“ und einmalige Rede bei der Legislatur-Eröffnung 2018-2022) wechsle ich zwischen Deutsch und Italienisch ab. Seltsamerweise fliesst das Deutsche bei spontanen Voten oft besser bei mir.

Das Politisieren als Parteilose, als Vertreterin einer sprachlichen Minderheit und dazu noch als Frau (und jetzt noch dazu als alte Frau, obwohl ich mich nicht viel anders fühle) ist katastrophal. Die Frustrationsmomente sind alltäglich. Wie ich es geschafft habe durchzuhalten, weiss ich auch nicht. Ich war 4 Jahre (2 Jahre als Stellvertreterin) für den Kreis Chur im Grossen Rat, in denen ich faktisch mehr erreicht habe als in 24 Jahren als Vertreterin vom Misox. Die Presse in Chur und die Televisione della Svizzera Italiana ignorieren mich permanent, obwohl ich während einer Session sicher 2-3 Mal rede und wohl nicht nur Dummheiten erzähle. Ich reduziere heute meine Beiträge im Rat an der allgemeinen Diskussion (Gesetze, Vorstösse von anderen) und selber reiche ich nur Fragen ein für die Fragestunde, da Aufträge (wo man faktisch etwas erreichen kann) mir vorenthalten sind, nicht zuletzt da 20 Unterschriften notwendig sind, um sie überhaupt einreichen zu können. 

Die Tatsache, dass ich ohne Partei bin, verwehrt mir zudem die Mitarbeit in den Kommissionen.

Trotzdem weiss ich, dass ich etwas bewegt habe. Mein Name ist in den Grossratsprotokollen oft präsent und ich weiss, dass er da bleiben wird. Darüber hinaus muss der Rat mir jedes Jahr einmal applaudieren, fällt doch mein Geburtstag immer in die Sessionszeit. Ich nenne dies eine Gerechtigkeit des Schicksals. 

Gibt es in Ihrem politischen Leben Momente, in denen Sie es lieber hätten, wenn das Misox zum Tessin gehörte?

Allgemein glaube ich, dass das Misox zum Tessin gehören sollte. Ich fühle mich aber in der Politikwelt des Tessins absolut nicht wohl. Im Bündner Grossen Rat fühle ich mich trotz den oben genannten Schwierigkeiten zu Hause. Schwierig ist die graue Identitätszone, die Zugehörigkeit. Von wo bin ich wirklich? Zu wem gehöre ich? 

Zum Schluss: Wo tanken Sie Energie für Ihr vielseitiges politisches Engagement? Denken Sie manchmal daran, Ihre politischen Mandate in jüngere Hände zu geben?

Aus der Philosophie und dem Glauben, dass mein Dasein und mein Wirken eine klare Bedeutung, ein Ziel und eine Aufgabe haben. Ich bin überzeugt, dass unser Dasein und unser Weg vorprogrammiert sind und dass wir kein Recht haben, uns diesen zu entziehen.

Ich glaube auch, dass der Mensch viel mehr Kräfte hat als was er selber glaubt zu haben. Diese nicht auszuschöpfen und - statt das Mögliche anzustreben - die Grenzen in den Vordergrund zu stellen, passt nicht zu mir. Der Grund, warum ich mein Mandat bis jetzt noch nicht in jüngere Hände gegeben habe, war, dass sich keine Nachfolgerin finden liess, die Deutsch spricht und Interesse an der Arbeit im Grossen Rat hat. Ich bin seit 20 Jahren die einzige Grossrätin aus den italienischen Tälern. Hätte ich meinen Sitz einem Mann überlassen sollen?