Politische Kultur zwischen Habsburg und Graubünden im 15. bis 17. Jahrhundert
Der Kanton Graubünden hat eine wenig bekannte habsburgische Geschichte. Seit der Zeit um 1500 bildete das Gebiet der acht Gerichte (Landvogtei Castels mit Prättigau, Davos, Belfort, Churwalden und Schanfigg) einen Verwaltungsbezirk der vorderösterreichischen Lande, des habsburgischen Territoriums im Südwesten des deutschen Reichs. Aber schon etwas länger gehörten die Gemeinden der acht Gerichte zu den drei rätischen Bünden. Damit stiessen zwei Mächte aufeinander, die ganz unterschiedlichen Modellen der Staatsbildung und der politischen Kultur entsprachen: Fürstenstaatliche Herrschaft traf auf kommunale Selbstorganisation. Auf lange Sicht vermochten die Habsburger ihre Ansprüche nicht durchzusetzen. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts endete ihre Herrschaft in den acht Gerichten.
Der erste Teil des Buchs behandelt den österreichischen Herrschaftsantritt in diesem Gebiet, der bereits auf Akzeptanzprobleme stiess. Untersucht werden die beiderseitigen politischen Strukturen sowie die bilateralen Beziehungen zwischen den habsburgischen Herrschern und den Bündnern. Sodann wird die Landvogtei Castels vergleichend in den Rahmen der allgemeinen österreichischen Territorialverwaltung gestellt. Von den administrativen Strukturen werden die informellen Patronagebeziehungen abgehoben, die den politischen Alltag bestimmten. Der dritte Teil des Buchs widmet sich der Frage, welche der beiden Mächte die wesentlichen Herrschaftskompetenzen in den Acht Gerichten innehatte. Dies betrifft vor allem die Einsetzung von fürstlichen oder aber kommunalen Amtleuten sowie die Ausübung der hohen und der niederen Gerichtsbarkeit. Es wird gezeigt, wie es den Gemeinden im Zug der Konfessionsbildung gelang, ein eigenes Kirchenregiment zu errichten. Der abschliessende Teil befasst sich mit der politischen Kommunikation und der politischen Kultur in den Acht Gerichten. Die Äusserungen symbolischen Handelns reichten von baulichen und bildlichen Herrschaftszeichen über politische Rituale bis hin zur politischen Sprache. Ein wichtiges Medium für Protest und Widerstand war die politische Gewalt. Von teils symbolhaften Einzelhandlungen sind eigentliche Kriegsaktionen zu unterscheiden, die letztlich wieder einen Aspekt der Staatsbildung darstellten.