Gipfeltreffen mit Bonanzasteak
Ein aktiver und zwei ehemalige Vorsteher des Departements für Erziehung, Kultur und Umwelt (EKUD) sitzen - nein, nicht in der Ponderosa Ranch - im Wirtshaus Drei Bünde zu Chur. Es geht um Sprachpolitik, logisch, eine bisschen Psychohygiene und Bonanza. An die dreissig Jahre selbstloser Einsatz für die gleiche gute Sache verbindet sie, Canödel (alias Nödi – BDP), Pizzocchero (alias Pizzo – SP) und Türkariebel (alias Riebi – SP), auch wenn sie das Heu nicht immer auf der gleichen Bühne haben.
– Was für ein Scheisstag, mannomann! Am liebsten würde ich das ganze Departement auf den Mond schiessen. Die gehen mir manchmal sowas von auf den Keks… Ach komm, Nödi, versucht Riebi zu beschwichtigen, nimm noch einen Schluck und freue dich auf das feine Steak. Wir kennen das, gell Pizzo, das EKUD ist halt ein Hühnerstall, das war schon immer so. Und Sprachpolitik ist in Gottes Namen ein anderes Paar Stiefel als bitzli Landwirtschaft, Martullo-Ems-Chemie und Tourismus. Ein sauexplosiver Dampfkessel, da geht’s schnell mal richtig zur Sache. Von wegen Sprachpolitik! Tempi passati. Jetzt rennen mir auch noch die Klimaaktivisten die Türe ein. Extinction Rebellion und Co., wenn ihr wisst, was ich meine. Die beissen zu, im Fall, hemmungslos, und fackeln dir die Bude ab, wenn du nicht spurst.
– Con calma, caro collega, mischt sich jetzt auch Pizzo ins Gespräch. Was ist denn auf einmal los mit dir? Jahrelang warst du ein Fels in der politischen Brandung wie kein anderer, ein wahrer Ausbund an Zurückhaltung und Langmut, und jetzt plötzlich so dünnhäutig?! Stelle deine Ohren auf Durchzug und lass die sich nur ein bisschen austoben. Fare l’indiano, heisst das bei uns. Haben Riebi und ich auch gemacht, noch und noch, wenn der Kessel kochte. Keine Angst, die lassen die Milch schon runter.
– Bonanza bien cuit? Per mai, grazcha fichun. Und nochmals das Gleiche? Für Sie, Monsieur? No, cara, la suola è per il signore. Für mich gibt’s nur saignant, capisce? Question de style. Oh, entfährt es Nödi, du lieber Freund! Jetzt gibst du aber schön an, Pizzone. Damals hast du alles in Bewegung gesetzt, dass Französisch bei uns hochkant aus dem Fächerkanon fliegt. Und heute lernt die ganze Schweiz die Sprache der Könige und Ambassadoren, ausser… the one and only Grigioni!!! Nicht zuletzt wegen dir, Mann. Guten Appetit allerseits!
– Das versteht ihr nicht. Unsereiner tickt nicht so. Die hätten mich doch glatt gelyncht, im Puschi unten, wenn ich da nicht bedingungslos Kante gezeigt hätte. Italo oder Franz, das war die ultimative Frage. Gut, profitiert haben am Schluss wie immer die Anglos, aber das konnte man damals nicht voraussehen. Übrigens, mica male, das Bonanza, gell!? Noch besser ist nur meine Lüganiga «alla Pizzo». Wieder eine von deinen umwerfenden Extrawürsten, geht Riebi dazwischen, kennen wir, haha! Nein ehrlich, apropos, carissimo Pizzocchero dei Pizzoccheri, was hast du während deiner Regierungszeit nicht alles angerissen: Rumantsch Grischun in der Schule, nur um ein paar lausige Fränkli einzusparen, das Sprachengesetz, das ausser ein paar Fanatikern niemand wirklich wollte, die Reorganisation des EKUD, die alle nur verrückt gemacht hat etc. etc. Hand aufs Herz, ein Denkmal von dir für die Nachwelt hätte wohl auch gereicht! Und wer musste die Sache dann jeweils wieder geradebiegen, in Frieden und Harmonie, oder einfach geduldig aussitzen?
– Schon bun, sar magister perpeten, meint Nödi mit vollem Mund … Nichtspieler Maul halten! - Der Genosse Schöberli, natürlich. Ich nannte es Konsolidierung, aus Selbstschutz, zugegeben, aber auch um deine Leute und die Romanen nicht zu vergraulen. Der Kanton brauchte doch wieder mal Ruhe, nach all den Turbulenzen Marke Pizzo. Und erst heute, ragazzi, macht sich Nödi wieder bemerkbar, nachdem er seinen Teller schön ordentlich ausgeputzt hat, von wegen Turbulenzen, ein ausgewachsener Tsunami ist das! Und erst noch von ganz oben. Selber sind sie dort in der Berner Kommandozentrale nicht einmal imstande unsere Charalingua fair zu behandeln – musste meine Sekretärin doch tartsächlich einen Standardbrief aufsetzen, viersprachig, versteht sich, für all die Reklamationen an den Bundesrat - und uns bombardieren sie pausenlos mit neuen Studien und Berichten. Und wissen erst noch alles besser, mit Evaluationen und Ansprüchen ohne Ende. Ich kanns bald nicht mehr hören. Und schamlose Kritik, sage ich euch, direkt auf den Mann, da wird sogar einem furchtlosen Chatschader engiadinais schwindelig.
– Weg damit, der ganze Wisch, subito und kommentarlos in die Schublade, oder noch besser in den Müll, fährt Riebi dezidiert dazwischen… und einfach ignorieren, doppelt Pizzo nach. Wir wissen doch, porca vacca, selber am besten, was für uns gut ist. Und überhaupt, was wollen die jetzt noch beweisen da unten, oder oben, nach zweihundert Jahren Funkstille? Wir haben einen Standschaden, compagni, das schleckt keine Geiss weg… Wie wär’s mit einem Dolce? zum Vergessen?! Signorina…
Beim Caffè corretto sticht der Hafer Nödi erneut, …aber, apropos Schublade, was, wenn mein Depi morgen gehackt wird, wie bei der RUAG? Das wäre mein Untergang, definitiv, so knapp wie ich wiedergewählt wurde. Dann gibt’s nur eins, char Canödelin, ruft Riebi kampfeslustig, Gring acha u seckla! Ruckzuck eine Arbeitsgruppe einberufen, gouverner c’est prévoir, messieurs, subito mindestens 80 Massnahmen für die Sprachenförderung im Kanton Graubünden uf da Lada, Arbeitstitel «Stärke in der Vielfalt», mit Budget, Verantwortlichkeiten und allem Zusatzklimbim, und hoppdipopp, zahlen soll der Bund, sonst geht nix! - Dann greifen die klassenkampferprobten Kämpen Pizzo und Riebi ihrem leidgeplagten Schicksals-Genossen unter die Arme und alle drei stehen langsam auf. In unwiderstehlicher Einheit, die rechte Faust zur Decke gereckt wanken sie Richtung Ausgang und schmettern aus voller Kehle: Avanti popolo, alla riscossa, bandiera rossa ‘la trionferà!
Illustrationen von Pia Valär. Alle Urheberrechte bei der Illustratorin.
erstmals publiziert im Juli 2021 auf pluriling-gr.ch